Gender Studies at Home  | 2012
Neutralität und Befreiung im Wohnen. 


Die Hülle glatt und weiß, das Erdgeschoß frei und offen zu ebenerdigen Abstellabteilen und zur Tiefgarage, der Hof gefüllt mit Gemeinschaftspavillon, Fußballplatz und Biotop, und das Ganze umgeben von einer wie gemorphten, hügeligen Landschaft. Straßenraum und Blockinneres vermischen sich radikal und manifestieren ein gebautes Plädoyer für Gemeinschaft: Der Wohnbau in der Pernerstorfergasse im zehnten Wiener Gemeindebezirk, errichtet in Passivhaustechnologie, bietet mehr als herkömmliche Architektur. Räumliches Angebot, programmatische Zusätze und kollektiver Innenhof erinnern an die Ambitionen des Roten Wien am Beginn des 20. Jahrhunderts, als Wohnen noch eine soziale Funktion und ein Wohnbau noch eine politische Vision transportierte.

In den 1980er Jahren waren es vor allem feministische Planungen, die das Wohnen erneut in einen solchen sozialen und politischen Zusammenhang stellten. Fragestellungen wie „Wer produziert Wohnraum unter welchen Voraussetzungen?“, „Wer nutzt welchen Wohnraum?“ oder „Wer ist von welchen Zugängen ein- oder ausgeschlossen?“ veränderten vor allem im angelsächsischen Raum gewohnte Muster.Planungskollektive arbeiteten partizipativ, erstellten bauliche Kriterien für Gleichberechtigung und übten offene Kritik an den Mechanismen der Wohnbauproduktion. Es ist den Feminismus- und Genderforschungen zu verdanken, dass Qualitäten wie Barrierefreiheit, offene Grundrisse, Flexibilität und die Vermeidung von Angsträumen längst Standard sind. Auch im Wiener Wohnbau.

 

In: Czaja, Wojciech: Wohnen in Wien. 20 residential buildings by Albert Wimmer. Photography Lisi Specht.
 208 S., EUR 39,95.Springer Wien New York. ISBN 978-3-7091-1036-2 

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